Die Kriege in Syrien und im Irak sowie der russisch-ukrainische Konflikt gehörten zu den Themen des Treffens der Interparlamentarischen Konferenz zur Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU vom 5. bis 7. November in Rom. Hans-Peter Bartels leitete die Bundestagsdelegation. Dazu ein Interview mit Karl-Otto Sattler von der online-Redaktion des Deutschen Bundestages:
Herr Dr. Bartels, die Zahl der Flüchtlinge Richtung EU nimmt drastisch zu. Deutschland nimmt viele dieser Flüchtlinge auf, manche EU-Länder indes keine. Wie wird dieses Problem in der Interparlamentarischen Konferenz diskutiert?
Die Krisen im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika treiben diese Flüchtlinge nach Europa. Unser erstes Ziel muss es sein, an der Wiederherstellung von Sicherheit und erträglichen Lebensbedingungen in den betroffenen Ländern mitzuarbeiten. Das ist in Syrien und im Irak extrem schwierig, aber die EU hat sich zur Hilfe verpflichtet. Zweitens müssen wir die Nachbarstaaten massiv unterstützen, vor allem den Libanon, Jordanien und die Türkei, die riesige Flüchtlingsbewegungen zu bewältigen haben. Und drittens sollte die EU selbst eine gewisse Zahl von Flüchtlingen aufnehmen und gerecht auf die 28 Mitgliedsländer gemäß ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verteilen, Über all diese Aspekte werden wir in Rom diskutieren.
Auf den Vormarsch der IS-Terroristen reagieren die EU-Staaten sehr unterschiedlich. Manche Länder wie Frankreich oder Großbritannien machen bei Luftangriffen mit, andere wie die Bundesrepublik liefern Waffen an die Kurden, manche Länder halten sich raus. Will und kann die Interparlamentarische Konferenz zu einer engeren Abstimmung innerhalb der EU bei diesem brisanten Thema beitragen?
Es müssen nicht alle EU-Länder das Gleiche tun. Wir verfolgen die gleichen Ziele, aber wir sollten bei der Verteilung der Aufgaben einigermaßen effizient vorgehen. Wenn zwölf Nationen Luftangriffe fliegen, macht ein 13. Luftwaffenbeitrag nicht mehr so viel Sinn. Deutschland rüstet kurdische Einheiten in der Stärke einer klassischen Infanteriedivision mit Waffen, Schutzausstattung und Fahrzeugen aus, das ist wahrlich nicht wenig. Und wir sind auch bereit, kurdische Soldaten auszubilden. Einmarschieren aber wollen wir dort nicht, genau so wenig wie alle anderen EU-Nationen. Die Beendigung der Kriege in Syrien und im Irak muss ein syrisches und irakisches Gesicht haben. Unsere Interparlamentarische Konferenz dürfte diese Position teilen.
Bei den IS-Truppen mischen Dschihadisten aus Europa mit. Eröffnet die Schengen-Politik die Möglichkeit, diesem Problem auf EU-Ebene Herr zu werden?
Aus meiner Sicht gibt es eine einfache Lösung: Keinen dieser „Gotteskrieger“ ausreisen lassen und heimkehrende Kämpfer schon bei der Einreise verhaften – und dies bereits an den Außengrenzen des Schengen-Raums.
Die Tagung in Rom befasst sich auch mit der russisch-ukrainischen Krise. Sehen Sie die Gefahr, dass sich der Südosten der Ukraine zu einem „eingefrorenen Konflikt“ entwickelt?
Vielleicht ist das Abkühlen und das Einfrieren dieses Konflikts tatsächlich das realistischste Szenario. Jedenfalls dann, wenn eine wirkliche Lösung der Krise nicht zu erreichen ist, aber auch niemand ein Interesse an einer weiteren Eskalation hat. Ich bin gespannt, wie sich in unserer Parlamentarierkonferenz die Position der verschiedenen Delegationen seit dem Frühjahrstreffen in Athen entwickelt hat.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat für den Südosten der Ukraine einen Waffenstillstand ausgehandelt, auch wenn dieser brüchig ist. Diese Politik wird von der Parlamentarischen Versammlung der OSZE mit einer aktiven Reisediplomatie unterstützt. Was tun eigentlich die Parlamente der 28 EU-Staaten?
Die Parlamente sind in die Arbeit der OSZE voll integriert. Schließlich handelt es sich bei den OSZE-Parlamentariern um Delegierte der nationalen Volksvertretungen. Auch etliche Bundestagsabgeordnete beteiligen sich an der dialogorientierten Reisediplomatie der OSZE-Versammlung.
Immer mal wieder werden Vorschläge laut, EU-Militärs oder deutsche und französische Soldaten könnten doch in der Südostukraine den Waffenstillstand sichern. Ist das realistisch?
Einer deutsch-französischen Überwachung des Waffenstillstands mit Hilfe von Drohnen stehen einige rechtliche, technische und sicherheitspolitische Hindernisse im Weg. Vielleicht gibt es auch eine rein zivil-kommerzielle Drohnen-Lösung, die der OSZE möglicherweise am liebsten wäre. Die Bundesrepublik ist jedenfalls bereit, einen Beitrag zu leisten.