Schlußwort von Hans-Peter Bartels, MdB auf der Tagung vom 8. Oktober 1999 im Willy-Brandt-Haus in Berlin

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde,

Ronald Reagan, der ja ein großer Kommunikator war, wurde einmal gefragt, was das Geheimnis seiner Reden sei. „Nichts besonderes“, sagte Reagan. „Erst mache ich einen Witz, damit die Leute zuhören. Dann sage ich ihnen, was ich ihnen gleich sagen werde. Dann sage ich es ihnen. Und am Schluß sage ich ihnen, was ich ihnen gerade gesagt habe.“ Das hört sich banal an, fast plump. Aber es ist das Geheimnis des Verstandenwerdens. Und unsere heutige SPD scheint es nicht zu kennen.

Dabei ist der Witz nicht das Problem. Uns wird zugehört. Aber was sagen wir, was wir gleich sagen werden? Dies ist die Frage nach dem Programm. Was werden wir gleich sagen?

Unser Berliner Grundsatzprogramm von 1989 hilft uns da nicht mehr weiter, weil es eine ganze Epoche von heute entfernt ist. Es ist

  • das sozialdemokratische Schlußdokument der westdeutschen Bundesrepublik,
  • das Manifest der durchgesetzten Hegemonie unserer Enkel-SPD,
  • ein Zeugnis längst vergangenen Zeitgeistes.

Wir vom Netzwerk und von der Zeitschrift ‚Berliner Republik‘ werden jetzt oft gefragt: Was ist Euer Programm? Ist es auch radikal? Welcher Ideologie folgt Ihr? Seid Ihr Linke oder Rechte? Was ist das Neue bei Euch?

Und manche reagieren sehr beleidigt, wenn wir ihnen dann sagen: Moment noch. Die Frage nach dem geschlossenen Programm kommt zu früh. Aber auf die Frage nach dem Neuen gibt es schon Antworten.

  • Das Neue ist erstens: Noch vor einem Jahr hätte es keinen Adressaten für die Frage nach einem Programm der Nach-68er gegeben. Nach den Enkeln werden nun in der SPD erstmals in größerer Zahl Jüngere sichtbar, die Verantwortung übernehmen. Das ist neu.
  • Zweitens: Viele von diesen Neuen in Bund und Ländern wollen sich nicht in die alte innerparteiliche Schlachtordnung einreihen, also linke Linke oder rechte Linke werden. Wir sind keine Epigonen. Wir schließen uns nicht den alten Formationen an. Das könnte auch anders sein, nun ist es so. Das ist neu.
  • Drittens: Wir wollen gemeinsam an einer neuen Programmatik für die SPD arbeiten. Dabei sollen viele, die mit den überkommenen Schablonen nichts mehr anfangen können oder wollen, mitmachen. Es gibt keine Altersschranke. Aber es ist ein Nach-68er-Unternehmen. Das ist die Geschäftsgrundlage.

Geschäftsgrundlage sind: parlamentarische Demokratie und sozial gebändigte Marktwirtschaft, ein aktiver Staat und die Renaissance wertgebundener Institutionen des sozialen Zusammenhalts.

Manche, auch in unserer Partei, mögen das beunruhigend finden, daß da erst die Leute sind und dann das Papier. Es gibt kein Gründungsmanifest und trotzdem wird gegründet. Man trifft sich, man diskutiert, gibt eine Zeitung heraus.

Das ist ganz schrecklich! Was wollen die bloß?

Lassen wir uns nicht beirren. Wir organisieren einen offenen Diskussionsprozeß – selbst wenn das manchen in der SPD und in der Öffentlichkeit unheimlich scheinen sollte. Es ist gut, daß heute zum ersten Mal jüngere engagierte und verantwortliche Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus Bund und Ländern gemeinsam diskutiert haben. Dies wird fortgesetzt.

Wir werden an der Grundsatzprogrammdebatte der SPD aktiv teilnehmen.

Und wir werden parallel dazu einen Programmprozeß der Jüngeren organisieren.

Ich danke allen Referentinnen und Referenten der heutigen Tagung und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihre Beiträge. Die Referate werden auch im Internet unter www.netzwerkberlin.de abrufbar sein.

Wir haben heute begonnen mit einer nachholenden SPD-Programmdiskusssion. Sie hätte 10 Jahre früher beginnen können. Das sie aber jetzt anfängt, ist eine Chance für uns. Das Grundsatzprogramm 2001 muß, jedenfalls auch, unser Programm werden.